Venezuela: Offener Hass auf alles Geistliche
Von Jürgen Liminski
20.02.05 | In Venezuela braut sich ein schwerer Konflikt zwischen Kirche und Staat zusammen – Die Kubanisierung unter Hugo Chávez geht weiter. Als das Gespräch auf die Politik kommt, zieht der Bischof sein Handy aus der Tasche, schaltet es ab und nimmt die Batterie heraus. Jetzt ist er sicher, dass man ihn nicht abhören kann. Seit den Treffen zwischen Venezuelas Präsident Hugo Chávez und dem kubanischen Diktator Fidel Castro in den vergangenen Jahren spüre er, wie die Regierung in Caracas ihren Kurs gegenüber der Kirche verschärft hat. Sie greift seit einem Jahr vor allem die Bischöfe an und versucht, das Volk gegen die Hirten aufzuhetzen. In öffentlichen Reden beschimpfe Chávez die Kirche als korrupt, die Bischöfe als „Schweine“ und versuche, eine eigene nationale Kirche auf die Beine zu stellen. Das sei ihm bisher zwar misslungen, weil das Volk solchen Initiativen keinen Glauben schenke. Aber in Einzelfällen habe er schon manchen Priester „gekauft“. Insgesamt herrsche ein Klima der Einschüchterung. Manche Bischöfe könnten nicht mehr allein reisen, schon gar nicht nachts.
Von all dem weiß man in Rom wenig, in Europa gar nichts. Hier weiß man vor allem zwei Dinge über Venezuela: Dort gibt es viel Öl und guten Rum. Und das genügt den meisten Außenpolitikern. Wenn dann noch irgendwie Wahlen abgehalten werden, das Land ordentlich Waren aus Europa importiert, seine Schulden bezahlt und die Lage auch ansonsten stabil erscheint, dann bleiben im Kurzzeitgedächtnis nur noch Faß und Flasche. Ein verhängnisvoller Irrtum. In Venezuela braut sich eine Krise zusammen, die über kurz oder lang auch die Märkte in Europa in Mitleidenschaft ziehen dürfte.
Der neue alte Präsident Hugo Chávez hat einen Masterplan. Er eifert seinem Idol Fidel Castro nach und will das Land in eine kommunistische Diktatur verwandeln, die sich im Namen der Befreiung – in Latein-amerika geschieht das immer im Namen des historischen Unabhängigkeitshelden Simon Bolivar – auf die gesamte Region erstreckt, also auch Kolumbien, Peru und Bolivien umfasst und sich über die neuen Linksregierungen in Brasilien und Argentinien de facto über den ganzen Subkontinent ausbreiten soll. Das mag vermessen erscheinen. Aber Chávez hat Geld, viel Geld. Allein im vergangenen Jahr hat Venezuela für 24 Milliarden Dollar Öl nach Nordamerika exportiert, die Tagesproduk-tion beläuft sich auf drei Millionen Barrel, das sind fast so viel wie in Saudi-Arabien. Der staatliche Ölkonzern Citgo verfügt über 14000 Tankstellen in den Vereinigten Staaten und ist dort der zweitgrößte Zulieferer. Das erklärt zum Teil auch die Langmut Washingtons mit dem Machthaber in Venezuela, der sein Volk kauft und dem Sozialismus international eine Renaissance beschert.
Revolution nach dem „bewährten“ Muster Kuba
Auch das Muster für die „bolivianische Revolution“ ist bekannt. Chávez kennt es von seinem Bruder, der ihm in Sachen Marxismus Nachhilfe gegeben hat und jetzt Botschafter auf Kuba ist. Man sichert zunächst die Grundbedürfnisse der Bevölkerung – Ernährung, Gesundheit, Bildung –, schränkt sodann die Freiheiten ein und exportiert schließlich von einer soliden Diktatur aus die Revolution. So geschieht es: Chávez kauft das Volk mit zinslosen Krediten für Autos, Möbel, Konsumgüter. Der Taxifahrer ist mit der Regierung Chávez zufrieden. Sie hat ihm das Auto finanziert. Der Straßenfeger ist auch zufrieden, er wird morgens geholt, bekommt eine Uniform und wird zu seinem Arbeitsplatz und abends wieder nach Hause gebracht. Achtzig Dollar bekommt er im Monat, genug um zu leben, denn Strom und Wasser sind umsonst und tagsüber hat er zu essen. Dass er und die vielen anderen Venezolaner keine investiven Aufgaben tätigen und die Wirtschaft insgesamt am Tropf der Öleinnahmen hängt, das Land also kaum noch produziert, sondern fast nur noch konsumiert und somit keine Wertschöpfung stattfindet, das sieht er nicht. Er sieht aber, dass Chávez die alte korrupte Clique an der Spitze des Staates weggefegt hat. Dass er selbst sich mit einer anderen Clique installiert hat, kümmert ihn nicht.
Kubanische Experten, vor allem medizinisches Personal, verteilen in Ambulanzstationen Medikamente und fangen jetzt auch damit an, das Bildungspersonal zu indoktrinieren, mehr als tausend venezolanische Lehrer haben bereits Kurse auf Kuba absolviert. Ein nächster Schritt könnte das Abwürgen oder Konfiszieren der katholischen Schulen sein. Fernsehen und Radio sind weitgehend gleichgeschaltet. Die einzige Opposition sind Teile der Presse und die katholische Kirche. Ihre Glaubwürdigkeit ist dem Regime ein Dorn im Auge. Führende Bischöfe werden abgehört und beschattet. Auch anonyme Drohungen und offene Beschimpfungen sind keine Seltenheit mehr. Funktionäre schüren offenen Hass gegen alles Geistliche. Bisher haben sich aus Europa nur die Adenauer-Stiftung und die internationale Hilfsorganisation „Kirche in Not“ der Kubanisierung und schleichend wachsenden Diktatur in Venezuela zugewandt, das außenpolitische Establishment in Brüssel, Berlin, Rom, Paris und London schläft den Schlaf der Selbstgerechten. Es ist wie zu Zeiten des Speckpaters: Da ist eine Kirche in Not und „Kirche in Not“ sieht es und geht hin.
Gefährliche Mischung aus Öl, Drogen und Terrorismus
Der Export der Revolution geschieht über die bereits vorhandene Guerrilla-Infrastruktur in Kolumbien. Als die von den Vereinigten Staaten im Krieg gegen Terroristen und Drogenmafia unterstützte kolumbianische Regierung jüngst einen Guerrilla-Führer aus Venezuela entführen ließ, kam es zur diplomatischen Krise. Es wurde ruchbar, dass Venezuela den Drogenterroristen als sicheres Hinterland dient und von dort aus Operationen plant und durchführt. Washington hält sich zurück – noch. Aber die Verbindung Petrodollars-Drogen-Terror-Ideologie hat aufhorchen lassen. Sie enthält viel Sprengkraft für die Ölmärkte, mithin für den Ölpreis. Das zwingt zur Vorsicht. Wegschauen aber ist keine Lösung. Erst recht nicht die von Spanien propagierte Apeasementpolitik gegenüber Kuba.
Europa, insbesondere Deutschland hat viel Prestige in Lateinamerika. Das könnte man bei der Eindämmung des Revolutionärs Chávez in die Waagschale werfen, bevor es zu spät ist und das Jammern über den Ölpreis und die Renaissance des Sozialismus aus dieser Wetterecke der Welt wieder alles übertönt.
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